Das neue österreichische Gewährleistungsrecht - ein Überblick
Autor: Michael Ibesich und Per Neuburger
Das neue österreichische Gewährleistungsrecht - Ein Überblick
Am 1. Januar 2022 gelten in Österreich neue Gewährleistungsbestimmungen. Dieser Artikel erläutert die wichtigsten Änderungen und geht der Frage nach, welche Auswirkungen die Änderungen auf die tägliche Praxis haben werden.
1. Was sind die Gründe für die Änderungen?
Aufgrund der Kaufrichtlinie (EU) 2019/771 und der Richtlinie über digitale Inhalte (EU) 2019/770 war der österreichische Gesetzgeber gefordert, Änderungen im österreichischen Gewährleistungsrecht vorzunehmen. Am 9. September 2021 wurde das Gewährleistungsrichtlinien-Umsetzungsgesetz (Gewährleistungsrichtlinien-Umsetzungsgesetz(GRUG) verkündet und wird am 1. Januar 2022 in Kraft treten. Das GRUG ändert das österreichische Bürgerliche Gesetzbuch (Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch(ABGB) und das österreichische Konsumentenschutzgesetz (Konsumentenschutzgesetz, KSchG). Darüber hinaus wird das neue Verbrauchergarantiegesetz (Verbrauchergewährleistungsgesetz(VGG) erlassen.
2. Wann gilt das neue Gewährleistungsrecht?
Das neue Gewährleistungsrecht tritt am 1. Januar 2022 in Kraft und gilt somit für Verträge, die nach dem 31. Dezember 2021 geschlossen werden.
In Bezug auf digitale Inhalte und Dienstleistungen gilt das neue Gewährleistungsrecht, wenn die die Bereitstellung der Inhalte oder Dienste erfolgt nach dem 31. Dezember 2021 - auch wenn der zugrundeliegende Vertrag zuvor geschlossen wurde.
3. Was sind die grundlegenden Änderungen?
Das System des Gewährleistungsrechts, das sich in Österreich bewährt hat, wird durch die neuen Bestimmungen und das neue Gesetz nicht völlig verändert. Im Folgenden werden die wichtigsten Änderungen aufgelistet.
Die VGG gilt ausschließlich für folgende B2C Transaktionen:
- Verträge über den Kauf von Waren (bewegliche körperliche Gegenstände), einschließlich Waren, die noch hergestellt oder produziert werden müssen; und
- Verträge über die Bereitstellung digitaler Inhalte und Dienstleistungen, einschließlich Verträgen über die Bereitstellung personenbezogener Daten durch einen Verbraucher als Gegenleistung für Waren und/oder Dienstleistungen.
Ausgeschlossen von der Anwendung des VGG sind u.a. der Kauf von Tieren, Gesundheits-, Finanz- und Glücksspieldienstleistungen sowie bestimmte elektronische Kommunikationsdienste.
Wie im allgemeinen österreichischen Gewährleistungsrecht enthält das VGG eine Rechtsvermutung, dass ein Mangel, der innerhalb eines bestimmten Zeitraums auftritt, zum Zeitpunkt der Übergabe oder Bereitstellung der Ware/Dienstleistung vorhanden war. Im VGG ist diese Vermutungsfrist insbesondere von sechs Monaten bis zu einem Jahr erweitert worden. Die Dauer der Vermutungsfrist beträgt im ABGB weiterhin sechs Monate.
Für Gewährleistungsfristen (zwei Jahre für bewegliche Waren und digitale Dienstleistungen, drei Jahre für unbewegliche Sachen) gilt nun eine dreimonatige Verjährungsfrist. Das bedeutet, dass nach Ablauf der Gewährleistungsfrist eine zusätzliche Frist von drei Monaten gilt, innerhalb derer ein Mangel reklamiert werden kann. Diese Änderung gilt für B2C- und B2B-Geschäfte.
Das VGG sieht, ähnlich wie das allgemeine Gewährleistungsrecht, eine Rangfolge der Heilmittel.Die primären Rechtsbehelfe sind das Recht auf Nachbesserung oder Ersatzlieferung, die sekundären Rechtsbehelfe sind Vertragsauflösung und Preisminderung. Eine Neuerung des VGG ist, dass alle Rechtsmittel nun von Verbrauchern außergerichtlich ohne jegliche Formvorschriften geltend gemacht werden können.
Nach der Kündigung eines Vertrages ermöglicht das VGG dem Unternehmen nun die Rückzahlung zu verweigern bis zur Rücksendung der Ware oder bis der Verbraucher den Nachweis erbracht hat, dass er die Ware zurückgesandt hat.
Bei B2C- und B2B-Transaktionen führt das VGG eine neue Verpflichtung für Unternehmen ein, folgende Informationen zu liefern: Aktualisierungen für Waren mit digitalen Elementen und für digitale Dienstleistungen die erforderlich sind, um die Waren und Dienstleistungen frei von Mängeln zu halten.
Nach dem VGG sind Unternehmen nicht nur dafür verantwortlich, dass ihre Waren oder digitalen Dienstleistungen die vertraglich vereinbarte Eigenschaften sondern auch die abgewichen werden. Unter strengen Voraussetzungen können die Verbraucher ausdrücklich und gesondert eine Abweichung von den objektiv geforderten Eigenschaften vereinbaren.
Für Verträge, die nicht in den Anwendungsbereich des VGG fallen, gelten weiterhin die (geänderten) Gewährleistungsbestimmungen des ABGB.
4. Worauf müssen die Unternehmen achten?
Die oben genannten Änderungen haben verschiedene Auswirkungen, die die Unternehmen berücksichtigen müssen, vor allem:
- Bei B2C-Geschäften muss der Verkäufer nun 12 Monate lang (nicht mehr 6) beweisen, dass der Mangel nicht zum Zeitpunkt der Übertragung oder Bereitstellung der Ware/Dienstleistung vorhanden war;
- Die Unternehmen müssen sich an die Verpflichtung zur Bereitstellung von Aktualisierungenunabhängig davon, ob sie mit Verbrauchern oder mit anderen Unternehmen zusammenarbeiten;
- Die Unternehmen sollten sich ihres ausdrücklichen Rechts bewusst sein, unter bestimmten Umständen die Zahlung an einen Verbraucher verweigern zu können; und
- Von den objektiv geforderten Eigenschaften kann nur im Einklang mit dem VGG abgewichen werden - ein Verzicht in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Unternehmens reicht nicht aus!
- Die Gewährleistungsfrist wurde um eine dreimonatige Verjährungsfrist erweitert.
Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern dient lediglich zur Veranschaulichung der wichtigsten Überlegungen.
5. Schlussfolgerung und Ausblick
Zusammenfassend wurde das Gewährleistungsrecht in einzelnen Punkten vor allem zu Gunsten der Verbraucher geändert. Umfassende Änderungen des bestehenden Gewährleistungsrechts gab es nicht. Durch das neue VGG wird es in Zukunft notwendig sein, stärker darauf zu achten, um welchen Vertrag es sich im Einzelfall handelt, um die richtigen rechtlichen Schlüsse zu ziehen sowie die wichtigsten in diesem Artikel dargestellten Änderungen zu berücksichtigen.
Der Inhalt dieses Artikels soll einen allgemeinen Leitfaden zu diesem Thema bieten. Für Ihre spezifischen Umstände sollten Sie fachkundigen Rat einholen.