Österreich: Gefangen zwischen widersprüchlichen Gerichtsstandsklauseln: Erkenntnisse aus einem kürzlich ergangenen Urteil des österreichischen Obersten Gerichtshofs
Autor: Scharon Schmidt
Die Parteiautonomie ist ein integraler Bestandteil und definierendes Merkmal der Schiedsgerichtsbarkeit. Die Freiheit, Schiedsvereinbarungen einvernehmlich abzuschließen, ist zweifellos einer der attraktivsten Gründe für die Wahl der Schiedsgerichtsbarkeit als Streitbeilegungsmechanismus. Dennoch kann es gerade im Zusammenhang mit kollidierenden Schieds- und Gerichtsstandsklauseln zu Kontroversen kommen. Bisher haben die Gerichte in dieser Hinsicht unterschiedliche Ansätze verfolgt, wobei einige den Schiedsklauseln Vorrang einräumten und andere einen differenzierten Ansatz verfolgten, um das Verhältnis und die Reichweite der betrachteten widersprüchlichen Klauseln zu ermitteln.
In Österreich hat der Oberste Gerichtshof kürzlich die Gültigkeit einer Schiedsvereinbarung beurteilt, die zwei nebeneinander bestehende, aber einander widersprechende Gerichtsstandsklauseln enthielt (3 Ob 127/20b).
Im Mittelpunkt des Verfahrens stand das Begehren eines Klägers auf 1) Feststellung eines im Jahr 2015 geschlossenen Kaufvertrages und 2) Rückzahlung eines bereits gezahlten Teilkaufpreises. Der betroffene Vertrag enthielt sowohl eine Schiedsklausel als auch eine Gerichtsstandsvereinbarung, die sich auf ein staatliches Gericht in Moskau bezog.
Als es zu einer Streitigkeit im Zusammenhang mit dem Kaufvertrag kam, entschied sich die Klägerin, kein Schiedsverfahren anzustreben und erhob, abweichend von der Gerichtsstandsklausel, Klage am Sitz der Beklagten (Wien, Österreich) gemäß dem gesetzlichen Recht. Obwohl keine der beiden Klauseln exklusiv war, machte der Kläger geltend, dass sie aufgrund ihres widersprüchlichen Charakters unwirksam seien und dass die Erhebung der Klage an einem dritten Gerichtsstand keine Verletzung der vertraglichen Bestimmungen darstelle.
Hintergrund
Die Gerichte erster und zweiter Instanz wiesen die Klage des Klägers mit der Begründung ab, dass die Klage in Österreich wegen fehlender sachlicher Zuständigkeit nicht weiterverfolgt werden könne.
Beide Gerichte erkannten an, dass das Vorhandensein von zwei sich widersprechenden Klauseln nicht notwendigerweise die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung untergräbt. Da keine der beiden Klauseln die ausschließliche Zuständigkeit staatlicher Gerichte vorsah, sind sie als legitime, nebeneinander bestehende Klauseln zu behandeln. Somit wurde das Recht des Klägers, zwischen zwei Gerichtsbarkeiten zu wählen, bejaht.
Gleichwohl wurde auch hier die Zuständigkeit verneint, da der Vertrag vorsah, dass die Streitigkeit entweder durch ein Schiedsverfahren oder durch Verweisung an ein staatliches Moskauer Gericht gelöst werden sollte. Des Weiteren stellten die Gerichte fest, dass für eine Beurteilung der Zuständigkeit Schiedsvereinbarungen von Amts wegen zu berücksichtigen sind.
Die Klägerin hat die Rechtsauffassung der Vorinstanzen in beiden Punkten angefochten.
Problem und Entscheidung des Obersten Gerichtshofs
Das zentrale Argument des Klägers bezieht sich auf den Wortlaut der Vertragsbestimmungen. Indem sie zwei widersprüchliche Gerichtsstandsklauseln vorsahen, hätten die Parteien wohl vereinbart, dass widersprüchliche Gesetze gelten sollten. Der Wille der Parteien lasse sich nicht eindeutig aus der Vereinbarung ableiten, so dass beide Klauseln als unwirksam anzusehen seien und die gesetzlichen Regelungen gelten sollten.
Der Oberste Gerichtshof vertrat die Auffassung, dass die Rechtsauffassung der Vorinstanzen aus folgenden Gründen aufrechtzuerhalten sei:
- Das Vorhandensein von widersprüchlichen Gerichtsstandsklauseln und Schiedsvereinbarungen in demselben Dokument führte nicht zur Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung;
- Eine Koexistenz ist zu verneinen, wenn die Vereinbarung vorsieht, dass unabhängig von der Schiedsklausel ein staatliches Gericht ausschließlich zuständig sein soll;
- Bei der Beurteilung der Zuständigkeit muss daher der Wortlaut der Schiedsklausel sorgfältig geprüft werden. Da keine der beiden Klauseln als ausschließlich formuliert war, hatte der Kläger ein Wahlrecht und konnte eines der beiden vertraglich vereinbarten Foren wählen;
- Die Wahl unterschiedlicher Sachgesetze hat die Wirksamkeit des Vertrages nicht beeinträchtigt, da mehrere Rechtsordnungen alternativ oder kumulativ auf dieselbe Rechtsfrage oder denselben Sachverhalt anwendbar sein können;
- Gültige Schiedsgerichtsvereinbarungen sind von Amts wegen zu beachten.
Kommentar
Dieser Fall stellt ein besonderes, aber wiederkehrendes Problem dar, das auftritt, wenn Verträge eine Schiedsklausel enthalten, aber auch eine Gerichtsstandsvereinbarung vorsehen. Der Versuch, dieses Spannungsverhältnis in Einklang zu bringen, konfrontiert die Gerichte mit der Notwendigkeit, die Grundsätze der Vertragsauslegung sorgfältig und in einer Weise anzuwenden, die den Absichten der Parteien sowohl Ausdruck verleiht als auch sie anerkennt.
Die Entscheidung des österreichischen Obersten Gerichtshofs macht deutlich, dass es zwar eine generelle Neigung geben mag, Rechtswahlvereinbarungen den Vorzug zu geben, dass aber das Vorhandensein einer kollidierenden Gerichtsstandsklausel nicht zu deren Ungültigkeit führt. Vielmehr können, sofern keine ausschließliche Zuständigkeit staatlicher Gerichte vorgesehen ist, beide Klauseln nebeneinander bestehen.
Wenn man mit widersprüchlichen Gerichtsstandsklauseln konfrontiert wird, sind Praktiker gut beraten, einen kontextbezogenen Ansatz zu wählen, um zu ermitteln, was die mutmaßliche und vernünftige Absicht der Parteien gewesen sein könnte. Also über den Wortlaut des Vertrages hinaus zu schauen und die Umstände zu berücksichtigen, wie sie zum Zeitpunkt der Abfassung bestanden. Streitigkeiten lassen sich leicht durch die Aufnahme von Bestimmungen vermeiden, die unmissverständlich festlegen, welche Klausel im Konfliktfall Vorrang hat, und die Anwendbarkeit der Gerichtsstandsklausel auf eine bestimmte Anzahl von Streitigkeiten unter lokaler Gerichtsbarkeit minimiert wird.
Der Inhalt dieses Artikels soll einen allgemeinen Leitfaden zu diesem Thema bieten. Für Ihre spezifischen Umstände sollten Sie fachkundigen Rat einholen.