Österreich: Österreichs Entwurf eines Kommunikationsplattformgesetzes - eine Zusammenfassung
Autor: Scharon Schmidt
Am 3. September 2020 hat die österreichische Regierung den Entwurf des lange erwarteten Kommunikationsplattformgesetzes (Kommunikationsplattformen-Gesetz', KoPI-G), das die Nutzer von digitalen Foren und Social-Media-Plattformen davor schützen soll, Opfer von Online-Hassreden zu werden. Nach dem Vorbild des deutschen Netzwerkdurchsetzungsgesetzes ('Netzdurchsetzungsgesetz', NetzDG), das im Juni 2017 die parlamentarische Zustimmung erhielt, würden die neuen Vorschriften, wenn sie verabschiedet werden, den Zugang zu Melde- und Durchsetzungsmechanismen erleichtern, den transparenten Umgang mit solchen Konten fördern und innovative Wege für die Überwachung und unmittelbare Behandlung der in ihren Geltungsbereich fallenden Praktiken bieten.
Welche Kommunikationsplattformen sind betroffen
Der österreichische Gesetzesentwurf richtet sich an:
- Anbieter von Kommunikationsplattformen mit mehr als 100.000 österreichischen Nutzern oder einem Jahresumsatz von mehr als 500.000 EUR Umsatz in Österreich (§1(2));
- Ausgenommen sind Online-Nachrichtenforen, Online-Enzyklopädien, Online-Marktplätze für die Vermittlung oder den Verkauf von Waren/Dienstleistungen sowie Medienunternehmen (§1(3)).
Welche Straftaten von den neuen Vorschriften erfasst werden
Die Verpflichtungen gelten u. a. für eine Reihe von Straftaten:
- Nötigung ('Nötigung');
- Gefährliche kriminelle Bedrohung ('Gefährliche Drohung');
- Stalking ('Beharrliche Verfolgung');
- Beleidigende und unerlaubte Fotografie (Unbefugte Bildaufnahmen'.);
- Erpressung (Erpressung);
- Pornografische Darstellung von Minderjährigen ('Pornographische Darstellung Minderjähriger');
- Aufstachelung zum Hass ('Verhetzung').
Eine vollständige Liste der Arten von illegalen Inhalten (rechtswidrige Inhalte), die unter den Gesetzentwurf fallen, finden Sie unter §2(6).
Pflichten und Obliegenheiten der Anbieter von Kommunikationsplattformen
Mit dem Ziel, gut geregelte und umfassende Rechtswege zu etablieren, um hasserfülltem Verhalten im Internet entgegenzuwirken, müssen die Plattformen eine Reihe von Verfahrensstandards einhalten.
Melde- und Überprüfungsverfahren
- Gewährleistung und Erleichterung der Zugänglichkeit zu den Berichtsmechanismen sowie Sicherstellung einer einfachen Navigation, Verwaltung und Verfügbarkeit der genannten Funktionalitäten;
- Die Parteien müssen die Möglichkeit haben, Inhalte zu melden, um eine sinnvolle Bewertung durch den jeweiligen Dienstleister zu ermöglichen, Erklärungen über das Verfahren und das Ergebnis der Meldung zu erhalten und eine Begründung für die getroffene Entscheidung zu erhalten;
- Plattformanbieter müssen sicherstellen, dass:
- Soweit die Rechtswidrigkeit für eine nicht juristisch vorgebildete Person erkennbar ist, müssen die Inhalte innerhalb von 24 Stunden nach Eingang der Meldung gelöscht oder der Zugang zu ihnen gesperrt werden;
- Stellt sich die Rechtswidrigkeit erst nach eingehender Prüfung heraus, so ist deren Beseitigung innerhalb von sieben Tagen zu gewährleisten;
- Benutzer, die eine Meldung einreichen, werden unverzüglich über die Möglichkeit der Teilnahme an einem Beschwerde- und Überprüfungsverfahren informiert;
- Der Inhalt sowie die zur Identifizierung der Autoren erforderlichen Daten müssen zu Beweiszwecken für eine Dauer von maximal zehn Wochen archiviert werden.
Berichtspflicht
- Es müssen Kanäle geschaffen werden, die die Einreichung von Bewertungsberichten durch Anbieter an eine Aufsichtsbehörde ermöglichen;
- Die Anbieter müssen die Takedown-Berichte entweder jährlich (100.000 Nutzer) oder vierteljährlich (> 1 Million Nutzer) zur Verfügung stellen;
- Diese Berichte müssen Informationen enthalten, die z. B. Beschreibungen und Anzahl der Berichte, den Inhalt und das Ergebnis der Prüfverfahren, die personelle und technische Ausstattung, die Darstellung der Organisation, des Personals und der technischen Ausstattung, die fachliche Kompetenz des für die Bearbeitung der Berichte und die Prüfverfahren verantwortlichen Personals sowie die Ausbildung, Schulung und Überwachung der verantwortlichen Person umfassen.
Verantwortlicher Agent
- Online-Plattformen müssen Ansprechpartner benennen, die verantwortlich sind für:
- Erteilung von Aufträgen zur Einhaltung von bundesgesetzlichen Vorschriften;
- Kooperieren mit Behörden und Gerichten;
- Sicherstellung ihrer Verfügbarkeit für die Aufsichtsbehörde und die Nutzer der Plattform;
- Handeln als Empfänger von Dokumenten für Zustellungszwecke.
Nichteinhaltung und Geldbußen
Wird kein verantwortlicher Beauftragter benannt oder der Aufforderung der Behörde nicht nachgekommen, drohen Anbietern Bußgelder von bis zu 10 Millionen Euro. Verstöße gegen die Löschungspflicht werden im Wiederholungsfall sanktioniert. Die Bemessung des Umfangs des zu zahlenden Bußgeldes richtet sich nach einer Reihe von Faktoren, die in §10(2) aufgeführt sind, wie z.B.:
- Finanzielle Rentabilität/Stärke;
- Volumen der registrierten Benutzer;
- Frühere Verstöße;
- Umfang und Dauer der Pflichtverletzung des Diensteanbieters;
- Bereitschaft, zur Wahrheitsfindung beizutragen;
- Ausmaß der getroffenen Vorkehrungen zur Verhinderung zukünftiger Verstöße bzw. Anweisungen an die Mitarbeiter, sich an die Bestimmungen der Vorschriften zu halten.
Einspruchsverfahren
Einsprüche sind direkt bei der jeweiligen Plattform einzureichen. Beschwerden können jedoch an die Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH gerichtet werden,dieihre unabhängige Aufsichtsratbehörde, die Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria)administrativ unterstützt. Bevor der Nutzer sich an die Beschwerdestelle wendet, muss er sich an den Betreiber der Kommunikationsplattform selbst gewandt haben und entweder keine Antwort erhalten haben oder die Streitigkeit nicht lösen konnten. Es ist die Aufgabe der Beschwerdestelle, eine einvernehmliche Lösung vorzuschlagen oder eine Stellungnahme zu dem betreffenden Inhalt abzugeben.
Kommentar
Die neue österreichische Gesetzesinitiative ist ein wichtiger Schritt, um die zunehmenden Bedenken im Zusammenhang mit Hassreden im Internet anzugehen. Die Maßnahmen zum Schutz vor der Veröffentlichung von diskriminierenden oder gewaltverherrlichenden Äußerungen sollen dazu beitragen, den Raum der Rechtsstaatlichkeit im digitalen Bereich zu festigen und zu erweitern. Der Entwurf dehnt nicht nur die Reichweite des Straftatbestands der Aufstachelung von ethnischen Gruppen auf Privatpersonen aus, die solchen Gruppen angehören, sondern seine Bestimmungen wurden auch als Meilenstein für Frauen bezeichnet, da sie auf Praktiken wie "Up-Skirting" abzielen (ein Drittel der 18- bis 23-jährigen Frauen sind Opfer von Online-Hassverbrechen).
Während gelobt wird, dass der Gesetzesentwurf entscheidende Schutzmechanismen für diejenigen bietet, die sich aus öffentlichen Debatten zurückgezogen haben und aus Angst vor persönlichen Angriffen weiterhin davor zurückschrecken, ihre Meinung frei und offen zu äußern, haben andere erhebliche Bedenken über die Neigung des Gesetzesentwurfs zur Zensur geäußert. Darüber hinaus wurde, obwohl in erster Linie auf multinationale Netzwerkgiganten ausgerichtet, auch heftige Kritik an der breiten Definition der anvisierten Plattformen geäußert, wodurch Chat-Funktionen von Spielen (z. B. World-of-Warcraft) sowie Open-Source-Entwicklungs- (z. B. Github) und Rezeptplattformen betroffen sein könnten.1 In dieser Hinsicht stellt die Verordnung sowohl eine Bedrohung für das wirtschaftliche Überleben kleiner Kommunikationsplattformen als auch einen hemmenden Faktor für das Wachstum und den Erfolg von Start-ups dar, die möglicherweise klein bleiben, um die Einhaltung der im Entwurf festgelegten Umsatzschwelle sicherzustellen und diese nicht zu überschreiten.
Im Gegensatz zum vorangegangenen deutschen NetzDG unterscheidet sich der Entwurf der österreichischen Regierung nicht nur hinsichtlich seines Anwendungsbereichs, indem er nicht nur gewinnorientierte soziale Netzwerke, sondern Online-Plattformen jeglicher Art erfasst, sondern er bietet auch neue Instrumente zur Plattformregulierung, indem er Meldepflichten vorsieht.
Die Organisation Internet Service Providers Austria (ISPA) begrüßt zwar die geplanten Maßnahmen, warnt aber vor der aktuellen Entwicklung hin zu einer stetig wachsenden Zahl nationaler Lösungen. Der österreichische Entwurf könnte letztlich dazu dienen, die immerwährenden Debatten über die Rolle von Kommunikationsplattformen neu zu entfachen und zu beschleunigen und eine wichtige Vorlage für die von solchen Anbietern zu übernehmenden Aufgaben und Pflichten zu bieten. Im Hinblick auf das von der EU-Kommission geplante Gesetz über digitale Dienste (dessen Konsultationsfrist am 8. September 2020 endete) ist zu hoffen, dass der vorliegende Entwurf dazu dient, Hassreden nicht nur im Inland entgegenzuwirken, sondern zu einer einheitlichen europäischen Lösung beizutragen.
Fußnote
1. Für weitere Informationen siehe: Lohninger, Thomas. "Auf die Großen geschossen, die Kleinen erwischt! Erste Analyse Des NetzDG/KoPlG." Startseite, 22.09.2020, epicenter.works/content/auf-die-grossen-geschossen-die-kleinen-getroffen-erste-analyse-des-netzdgkoplg [Zugriff 28.09.2020].
Der Inhalt dieses Artikels ist als allgemeiner Leitfaden für die Thematik gedacht. Über Ihre spezifischen Umstände sollten Sie fachlichen Rat einholen