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Wirtschaftskriminalität 2022

1 Allgemeine Strafverfolgung

1.1 Welche Behörden können Wirtschaftsstraftaten verfolgen, und gibt es unterschiedliche Durchsetzungsbehörden auf nationaler und regionaler Ebene?

Wirtschaftsstrafrechtliche Delikte sind primär im Strafrecht geregelt und werden von der Staatsanwaltschaft (StA) oder der spezialisierten Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) verfolgt.

Es gibt jedoch auch andere Behörden, die für die Verfolgung von Straftaten im Bereich der Wirtschaftskriminalität zuständig sein können, wie z. B. die Finanzstrafbehörden bei bestimmten Finanzdelikten.

Das österreichische Strafgesetzbuch (StGB) unterscheidet zwischen Delikten, die von Amts wegen zu verfolgen sind (Offizialdelikte) und Delikten, bei denen das Opfer die Strafverfolgung ermächtigen muss (Ermächtigungsdelikte) oder bei denen das Opfer selbst Anzeige erstatten muss (Privatanklagedelikte). Die meisten Straftaten werden jedoch von Amts wegen verfolgt.

1.2 Wenn es mehr als eine Reihe von Durchsetzungsstellen gibt, wie wird dann entschieden, welche Stelle eine Angelegenheit untersucht und verfolgt?

An jedem Standort eines Landesgerichts, das für Strafsachen zuständig ist, wird eine Staatsanwaltschaft eingerichtet. Diese Staatsanwaltschaften sind für die Ermittlungen und die Strafverfolgung im Zuständigkeitsbereich dieses Gerichts und in den dem Landesgericht unterstellten Amtsgerichten zuständig, wo sie durch Bezirksstaatsanwälte vertreten werden können. Die meisten dieser Bezirksstaatsanwälte sind keine ausgebildeten Juristen, sondern speziell geschulte Beamte. Bezirksstaatsanwälte bearbeiten nur Straftaten mit geringen Strafen.

Vor etwa 10 Jahren wurde eine speziell für Korruption und Wirtschaftskriminalität zuständige Staatsanwaltschaft eingerichtet: die Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftskriminalität und Korruption (WKStA). Sie ist u.a. zuständig für schwere Amts- und Korruptionsdelikte sowie für Wirtschafts- und Finanzdelikte mit Schadenersatzforderungen.
von mehr als 5 Mio. EUR.

Die Staatsanwaltschaft ist zuständig für die Einleitung von Strafverfahren sowie für Ermittlungen, Anklageerhebung oder die Einstellung von Ermittlungsverfahren. Die Staatsanwaltschaft wird bei ihren Ermittlungen von der Kriminalpolizei unterstützt. Für einige Ermittlungsmaßnahmen ist eine richterliche Genehmigung erforderlich.

1.3 Gibt es eine zivil- oder verwaltungsrechtliche Durchsetzung gegen Wirtschaftskriminalität? Wenn ja, welche Behörden setzen die Gesetze zivilrechtlich durch und welche Straftaten bekämpfen sie?

Ein Opfer kann sich dem Strafverfahren als Privatperson anschließen und/oder eine Zivilklage einreichen. Nach einem gewonnenen Zivilprozess kann der zugesprochene Betrag gegen den Beklagten vollstreckt werden.

In Strafverfahren können die Strafverfolgungsbehörden Beschlagnahmen anordnen oder Konten einfrieren. Opfer von Straftaten haben das Recht auf Akteneinsicht und können diese Informationen nutzen.

Das österreichische Recht sieht die Möglichkeit vor, zur Sicherung von Ansprüchen einstweilige Verfügungen zu beantragen.

Es gibt verschiedene Verwaltungsbehörden, die Verwaltungssanktionen verhängen können, je nachdem, in welchem Bereich der Verstoß auftritt.

1.4 Gab es in Ihrem Zuständigkeitsbereich im vergangenen Jahr irgendwelche größeren Fälle von Wirtschaftskriminalität?

Der bemerkenswerteste Fall von Wirtschaftskriminalität in Österreich in den letzten Jahren war der sogenannte "BUWOG-Skandal". Nach drei Jahren Prozessdauer wurde im Dezember 2020 ein ehemaliger österreichischer Finanzminister
- als einer von mehreren Angeklagten - zu acht Jahren Haft verurteilt (Berufung anhängig). Gegenstand des Verfahrens war u.a. der Vorwurf der Korruption im Zusammenhang mit Zahlungen in Millionenhöhe im Rahmen der Privatisierung von Bundeswohnungen.

2 Organisation der Gerichte

2.1 Wie sind die Strafgerichte in Ihrer Gerichtsbarkeit aufgebaut? Gibt es spezialisierte Strafgerichte für bestimmte Straftaten?

In erster Instanz entscheidet entweder ein Bezirksgericht oder ein Landesgericht. Die Bezirksgerichte sind zuständig für alle Straftaten, für die eine einfache Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr angedroht ist. Die Landesgerichte sind zuständig für alle Vergehen und Verbrechen, für die eine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr angedroht ist, sowie - unabhängig von der Strafandrohung - für bestimmte im Gesetz genannte Straftaten (z.B. gefährliche Drohung).

Während die Fälle vor den Bezirksgerichten immer von einem Einzelrichter entschieden werden, variiert die Zusammensetzung der regionalen Gerichte. Straftaten, die mit lebenslanger Freiheitsstrafe oder mit einer angedrohten Mindeststrafe von mehr als fünf Jahren und zusätzlich einer Höchststrafe von mehr als zehn Jahren bedroht sind, sowie andere im Gesetz genannte Sonderdelikte (z. B. politische Straftaten) werden vor einem Spruchkörper verhandelt, der aus drei Berufsrichtern und acht Schöffen besteht (Geschworenengericht). Straftaten, die mit einer Mindeststrafe von mehr als fünf Jahren bedroht sind und nicht in die Zuständigkeit des Geschworenengerichts fallen, sowie im Gesetz genannte Straftaten (z.B. Unterschlagung, schwerer Betrug - wenn eine bestimmte Schadenssumme überschritten wurde oder die Absicht bestand, diese zu überschreiten), werden vor einem Spruchkörper aus einem oder zwei Richtern und zwei Schöffen verhandelt (Schöffengericht). Andere Straftaten werden von einem Einzelrichter entschieden.

Es gibt keine spezialisierten Strafgerichte für bestimmte Straftaten.

In zweiter Instanz sind die Oberlandesgerichte und/oder der Oberste Gerichtshof zuständig, je nachdem, welches Gericht in erster Instanz zuständig war und welche Art von Berufung eingelegt wurde.

2.2 Gibt es ein Recht auf eine Jury in Wirtschaftsstrafprozessen?

Nach österreichischem Recht gibt es kein grundsätzliches Recht des Angeklagten auf ein Geschworenengericht. Wie bereits erwähnt, kann je nach Strafandrohung oder angeklagtem Delikt ein Schwurgericht (entweder Geschworenengericht oder Schöffengericht) zwingend erforderlich sein oder nicht.

3 Besondere Statuten und Straftaten

3.1 Bitte beschreiben Sie alle Gesetze, die in Ihrer Gerichtsbarkeit üblicherweise zur Verfolgung von Wirtschaftsstraftaten verwendet werden, einschließlich der Tatbestandsmerkmale und des erforderlichen Geisteszustands des Angeklagten:

Wertpapierbetrug

Nach österreichischem Strafrecht begeht eine Person Betrug, wenn sie jemanden durch Täuschung über Tatsachen veranlasst, etwas zu tun, zu dulden oder zu unterlassen, das diese Person oder ein fremdes Vermögen schädigt, in der Absicht, sich oder einen Dritten durch das Verhalten der getäuschten Person unrechtmäßig zu bereichern.

In jedem Fall ist das österreichische Börsegesetz 2018 (Börsegesetz 2018, BörseG 2018) im Zusammenhang mit Wertpapierbetrug zu erwähnen. Dieses Gesetz regelt die Ordnungswidrigkeit des Missbrauchs von Insiderinformationen und der Marktmanipulation sowie die gerichtlich zu ahndende Marktmanipulation.

Buchhaltungsbetrug

Während in Österreich lange Zeit die Bilanzfälschungsdelikte über mehrere Gesetze verstreut waren (z.B. Aktiengesetz, GmbH-Gesetz), wurden 2016 die Bilanzfälschungsdelikte in das Strafgesetzbuch aufgenommen.

Entscheidungsträger und Bevollmächtigte machen sich z.B. strafbar, wenn sie die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage eines Unternehmens durch falsche oder unvollständige Angaben - z.B. im Jahresabschluss oder in der Hauptversammlung - falsch darstellen, wenn dadurch ein erheblicher Schaden (für das Unternehmen, die Aktionäre, die Gläubiger etc.) entstehen kann.

Insiderhandel

Die missbräuchliche Verwendung von Insider-Informationen stellt sowohl eine Verwaltungsübertretung als auch eine Straftat dar. Die entsprechenden Bestimmungen finden sich im österreichischen Börsegesetz 2018 (BörseG 2018). Es ist eine Straftat, Insiderinformationen für sich oder einen Dritten auszunutzen. Dies kann durch den Kauf und Verkauf von Wertpapieren, die Änderung oder Streichung von Handelsaufträgen, die Empfehlung von Wertpapieren oder die Weitergabe der Informationen an Dritte geschehen.

Veruntreuung

Das österreichische Strafrecht unterscheidet zwischen zwei Arten von Veruntreuung ("Untreue" und "Veruntreuung").

"Untreue" wird begangen, wenn jemand wissentlich seine Befugnis missbraucht, über fremdes Vermögen zu verfügen bzw. einen anderen zu verpflichten, über fremdes Vermögen zu verfügen, und dadurch das Vermögen des anderen schädigt. Eine Person missbraucht ihre Befugnis, wenn sie in unangemessener Weise gegen solche Vorschriften verstößt, die dem Schutz des Vermögens des wirtschaftlichen Eigentümers dienen.

"Veruntreuung" wird begangen, wenn sich jemand etwas, das ihm oder einem Dritten anvertraut wurde, in der Absicht aneignet, sich oder den Dritten dadurch unrechtmäßig zu bereichern.

Bestechung von Regierungsbeamten

Der Straftatbestand der Bestechung von Amtsträgern ist umfassend geregelt. Grundsätzlich sind beide Seiten strafbar, d.h. der Amtsträger, der einen Vorteil fordert und derjenige, der einem Amtsträger einen Vorteil verspricht.

Ein Amtsträger macht sich strafbar, wenn er für eine pflichtwidrige Vornahme oder Unterlassung einer Amtshandlung oder für eine pflichtwidrige Vornahme oder Unterlassung einer Amtshandlung für sich oder einen Dritten einen Vorteil fordert, annimmt oder sich versprechen lässt.

Der Amtsträger macht sich auch strafbar, wenn er in der Absicht, sich in seiner Amtstätigkeit beeinflussen zu lassen, einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert oder einen ungerechtfertigten Vorteil annimmt oder sich versprechen lässt.

Wie bereits erwähnt, macht sich auch die Person strafbar, die dem Amtsträger oder einem Dritten einen Vorteil anbietet, verspricht oder gewährt.

Strafrechtlicher Wettbewerbsverzicht

Das österreichische Strafgesetzbuch verbietet wettbewerbsbeschränkende Absprachen in öffentlichen Vergabeverfahren. Wer einen Antrag auf Teilnahme an einem Vergabeverfahren stellt oder ein Angebot abgibt oder Verhandlungen führt, die auf einer rechtswidrigen Vereinbarung beruhen, die darauf abzielt, den öffentlichen Auftraggeber zur Annahme eines bestimmten Angebots zu bewegen, macht sich strafbar. Auch eine Bestrafung wegen Betrugs scheint in solchen Fällen möglich zu sein.

Preisabsprachen zwischen Bietern bei privaten Ausschreibungen können einen Betrug darstellen.

Das österreichische Bundesgesetz gegen Kartelle und andere Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz 2005, KartG 2005) verbietet unter anderem die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung. Ein solcher Missbrauch kann insbesondere darin bestehen, dass Einkaufs- oder Verkaufspreise oder sonstige Geschäftsbedingungen verlangt werden, die von denen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit großer Wahrscheinlichkeit ergeben würden, wobei insbesondere das Verhalten von Unternehmern auf vergleichbaren Märkten mit wirksamem Wettbewerb zu berücksichtigen ist.

Kartelle und andere Wettbewerbsverstöße

Das vorgenannte Kartellgesetz verbietet u.a. alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken (Kartelle).

Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) verbietet z. B. aggressive oder irreführende Geschäftspraktiken zum Schutz von Unternehmern und Verbrauchern. Bei Verstößen sind neben Unterlassungs- und Schadensersatzklagen auch Bußgelder möglich.

Steuerstraftaten

Das österreichische Finanzstrafgesetz (Finanzstrafgesetz - FinStrG) regelt ein breites Spektrum von Finanzdelikten. Einige Straftaten fallen in die Zuständigkeit der Gerichte, für andere sind die Steuerbehörden zuständig.

Zu den Straftaten gehören Steuerhinterziehung, Schmuggel, Steuerbetrug und grenzüberschreitender Mehrwertsteuerbetrug.

Betrug bei der Vergabe von Regierungsaufträgen

Es wird auf die vorherigen Ausführungen verwiesen.

Gesonderte Straftatbestände wurden in Bezug auf Ausgabenbetrug zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Union und Veruntreuung von Geldern und Vermögenswerten zum Nachteil der finanziellen Interessen der Europäischen Union geschaffen.

Umweltverbrechen

Das österreichische Strafgesetzbuch regelt umfangreiche Straftatbestände gegen die Umwelt. Dazu gehören z.B. vorsätzliche und fahrlässige Umweltschäden.

Wahlkampf-Finanzierung/Wahlrecht

Entsprechende Regelungen finden sich im Bundesgesetz über die Finanzierung politischer Parteien 2012 (Parteiengesetz 2012 - PartG).

Es besagt zum Beispiel, dass jede politische Partei jährlich in einem Rechenschaftsbericht öffentlich über die Art ihrer Einnahmen und Ausgaben berichten muss. Der Rechnungshof prüft die Berichte. Auch Spenden und andere Zuwendungen an Parteien sind geregelt. Es gibt Grenzen und Berichtspflichten.

Marktmanipulation im Zusammenhang mit dem Verkauf von Derivaten

Das österreichische Börsegesetz (Börsegesetz 2018, BörseG 2018) stellt die Marktmanipulation unter Strafe und verweist auf die einschlägigen europäischen Rechtsvorschriften (Marktmissbrauchsverordnung (MAR); Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID)). Bei einigen der Straftaten handelt es sich um Verwaltungsübertretungen, die von der Finanzmarktaufsicht verfolgt werden, während andere gerichtlich geahndet werden können.

Geldwäsche oder Überweisungsbetrug

Der Straftatbestand der Geldwäsche hat in den letzten Jahren, auch aufgrund der europäischen Gesetzgebung, an Bedeutung gewonnen.

Die Strafvorschrift erfasst Geldwäsche aufgrund von zwei unterschiedlichen Anknüpfungspunkten. Zum einen gibt es Vermögenswerte, die aus einer bestimmten Vortat stammen, und zum anderen - ohne dass eine bestimmte Vortat relevant ist - Vermögenswerte, die zu einer terroristischen Vereinigung gehören.

Zur Bekämpfung der Geldwäsche sind in zahlreichen Bereichen umfangreiche Prüfungs- und Meldepflichten eingeführt worden. Dies gilt z. B. für Kredit- und Finanzinstitute, Versicherungsunternehmen sowie für Rechtsanwälte und Notare, die alle Transaktionen, bei denen sie im Namen und auf Rechnung ihres Mandanten Finanz- oder Immobilientransaktionen durchführen, sorgfältig prüfen müssen usw.

Cybersecurity und Datenschutzrecht

Das österreichische Strafgesetzbuch kennt mehrere Straftatbestände im Zusammenhang mit Internetkriminalität.

Zu den Straftatbeständen gehören der unrechtmäßige Zugriff auf ein Computersystem, die Verletzung des Fernmeldegeheimnisses, das unzulässige Abfangen von Daten, die Beschädigung von Daten, die Störung der Funktion eines Computersystems, der Missbrauch von Computerprogrammen oder Zugangsdaten usw. Neben diesen spezifischen Straftaten können auch allgemeine Straftatbestände wie z. B. Betrug anwendbar sein.

Das österreichische Datenschutzgesetz (Datenschutzgesetz, DSG) enthält ein Grundrecht auf Datenschutz. Neben dem österreichischen Datenschutzgesetz ist die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in Österreich unmittelbar anwendbar.

Handelssanktionen und Verstöße gegen die Exportkontrolle

Das österreichische Außenwirtschaftsgesetz 2011 (Außenwirtschaftsgesetz 2011, AußWG 2011) hat wesentliche europarechtliche Vorgaben umgesetzt und enthält Bestimmungen zur Exportkontrolle, zur Kontrolle des Verkehrs von Rüstungsgütern innerhalb der Europäischen Union und zur Kontrolle der Übernahme österreichischer Unternehmen durch Personen oder Unternehmen aus Drittstaaten (außerhalb der EU, des EWR und der Schweiz).

Bei Verstößen sieht das Gesetz sowohl verwaltungsstrafrechtliche Konsequenzen als auch gerichtlich zu ahndende Vergehen vor.

3.2 Gibt es in Ihrer Gerichtsbarkeit eine Haftung für unvollendete Straftaten? Kann eine Person für den Versuch, eine Straftat zu begehen, haftbar gemacht werden, unabhängig davon, ob die versuchte Straftat vollendet wird oder nicht?

Nach österreichischem Recht ist der Versuch der Begehung einer Straftat grundsätzlich strafbar.

4 Strafrechtliche Haftung von Unternehmen

4.1 Gibt es eine Haftung des Unternehmens für Straftaten? Wenn ja, unter welchen Umständen wird das Verhalten eines Mitarbeiters dem Unternehmen zugerechnet?

Das österreichische Gesetz über die strafrechtliche Haftung von Unternehmen (VerbändeVerantwortlichkeitsgesetz, VbVG) regelt die Haftung eines Vereins (z.B. Aktiengesellschaft, GmbH etc.) für Straftaten seiner Entscheidungsträger und Mitarbeiter, wenn es zu Pflichtverletzungen kommt, die den Verein betreffen. Entscheidend ist, dass die Straftat eines Entscheidungsträgers oder eines Mitarbeiters dem Verein zugerechnet werden kann. Die Straftat muss entweder zu Gunsten des Vereins begangen worden sein oder es müssen Pflichten verletzt worden sein, die den Verein betreffen.

Während Straftaten, die von Entscheidungsträgern begangen werden, dem Verein unmittelbar zugerechnet werden können, müssen bei Straftaten, die von Mitarbeitern begangen werden, zusätzliche Kriterien erfüllt sein. Erforderlich ist ein sogenanntes Organisationsverschulden des Vereins, d.h. die Straftat muss durch das Verschulden eines Entscheidungsträgers ermöglicht oder wesentlich erleichtert worden sein, z.B. wenn zumutbare und erforderliche technische, organisatorische oder personelle Maßnahmen zur Verhinderung solcher Straftaten getroffen wurden. Eine Straftat ist dem Verein zuzurechnen, wenn ein Mitarbeiter rechtswidrig gehandelt hat; ein Verschulden des Mitarbeiters ist nicht erforderlich.

4.2 Gibt es eine persönliche Haftung für Manager, leitende Angestellte und Direktoren, wenn das Unternehmen für eine Straftat haftbar wird? Unter welchen Umständen?

Unabhängig von der strafrechtlichen Verantwortlichkeit des Vereins sind gleichzeitig auch die Entscheidungsträger und Mitarbeiter, die die Straftat begangen haben, strafrechtlich verantwortlich. Somit ist eine gleichzeitige Bestrafung von juristischen und natürlichen Personen möglich.

4.3 Haben die Behörden in Fällen, in denen sowohl eine juristische als auch eine persönliche Haftung besteht, eine Strategie oder Präferenz, wann eine juristische Person, wann eine natürliche Person oder beides verfolgt werden soll?

Behörden führen Verfahren gegen den Verein und die natürlichen Personen gleichzeitig. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass sich die Behörden oft mehr auf die natürlichen Personen konzentrieren und dazu neigen, das Verfahren gegen den Verein als nebensächlich zu behandeln.

4.4 Kann im Zusammenhang mit einer Fusion oder Übernahme die Nachfolgehaftung auf das Nachfolgeunternehmen Anwendung finden? Wann gilt die Nachfolgehaftung?

Das österreichische Gesetz über die Unternehmensstrafbarkeit enthält eine Rechtsnachfolgeklausel. Sie sieht vor, dass im Falle einer Rechtsnachfolge die in diesem Gesetz vorgesehenen Rechtsfolgen den Rechtsnachfolger treffen. Gibt es mehr als einen Rechtsnachfolger, kann eine gegen den Rechtsvorgänger verhängte Geldstrafe gegen jeden Rechtsnachfolger vollstreckt werden.

5 Verjährungsfristen

5.1 Wie werden Vollstreckungsverjährungsfristen berechnet, und wann beginnt eine Verjährungsfrist zu laufen?

Während nach österreichischem Zivilrecht die meisten Ansprüche einer dreijährigen Verjährungsfrist unterliegen (ab dem Zeitpunkt, zu dem dem Geschädigten der Schaden und die Person des Schädigers bekannt geworden sind; wenn der Schaden und die Person des Schädigers dem Geschädigten nicht bekannt geworden sind, beträgt die Verjährungsfrist 30 Jahre), so beträgt die Verjährungsfrist 30 Jahre, wenn der Schaden aus einer oder mehreren strafbaren Handlungen entstanden ist, die nur vorsätzlich begangen werden können und mit mehr als einem Jahr Freiheitsstrafe bedroht sind (die Verjährungsfrist beginnt mit dem Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses zu laufen).

5.2 Können Straftaten, die außerhalb der Verjährungsfrist begangen werden, verfolgt werden, wenn sie Teil eines Musters oder einer Praxis oder einer laufenden Verschwörung sind?

Bei laufenden Straftaten beginnt die Verjährungsfrist nicht zu laufen. In diesen Fällen beginnt die Verjährungsfrist erst mit der Beendigung der letzten Straftat zu laufen.

5.3 Kann die Verjährungsfrist gehemmt werden? Wenn ja, wie?

Nicht in die Verjährungsfrist einzubeziehen ist z. B. ein Zeitraum, in dem die Strafverfolgung aufgrund einer gesetzlichen Vorschrift nicht eingeleitet oder fortgesetzt werden darf (z. B. bei diplomatischer Immunität). Die Zeit zwischen der ersten Vernehmung des Beschuldigten und der endgültigen Beendigung des Verfahrens wird ebenfalls nicht in die Verjährungsfrist eingerechnet.

6 Einleiten von Ermittlungen

6.1 Sind die Vollzugsbehörden befugt, ihre Befugnisse bei bestimmten Wirtschaftsstraftaten außerhalb des Hoheitsgebiets Ihres Landes durchzusetzen? Wenn ja, welche Gesetze können extraterritorial durchgesetzt werden und welche Zuständigkeitsgründe erlauben eine solche Durchsetzung? Wie häufig greifen die Vollstreckungsbehörden auf die extraterritoriale Gerichtsbarkeit zurück, um Wirtschaftsstraftaten zu verfolgen?

Auf bestimmte im Gesetz aufgezählte Taten, die im Ausland begangen wurden, sind die österreichischen Strafgesetze anzuwenden, unabhängig von den Strafgesetzen des Tatortes. Für andere als die im Gesetz ausdrücklich genannten Taten, die im Ausland begangen wurden, gelten unter bestimmten Voraussetzungen die österreichischen Strafgesetze, sofern die Taten auch nach dem Recht des Tatortes strafbar sind.

Die österreichischen Strafverfolgungsbehörden kooperieren regelmäßig mit ausländischen Strafverfolgungsbehörden im Rahmen der nationalen und internationalen Vorschriften.

6.2 Wie werden Ermittlungen eingeleitet? Gibt es irgendwelche Regeln oder Richtlinien für die Einleitung von Untersuchungen durch die Regierung? Wenn ja, beschreiben Sie diese bitte.

Die meisten Straftaten sind Offizialdelikte. Bei diesen Straftaten muss die Staatsanwaltschaft tätig werden, wenn sie von dem Fall Kenntnis erlangt. In einigen wenigen Fällen muss das Opfer der Straftat die Staatsanwaltschaft zur Strafverfolgung ermächtigen oder in einigen Fällen selbst einen Strafantrag stellen.

6.3 Verfügen die Strafbehörden in Ihrem Land über formelle und/oder informelle Mechanismen zur Zusammenarbeit mit ausländischen Vollstreckungsbehörden? Kooperieren sie mit ausländischen Vollzugsbehörden?

Österreichische Behörden können ausländische Behörden um Rechtshilfe ersuchen und tun dies auch regelmäßig.

7 Verfahren zum Sammeln von Informationen von einer Firma

7.1 Welche Befugnisse hat die Regierung im Allgemeinen, um bei der Untersuchung von Wirtschaftsdelikten Informationen zu sammeln?

Den österreichischen Strafverfolgungsbehörden stehen zahlreiche Befugnisse zur Beweiserhebung zur Verfügung. Es können Zeugen befragt, Häuser durchsucht, Dokumente beschlagnahmt oder Gespräche abgehört werden. Für bestimmte Maßnahmen benötigt die Staatsanwaltschaft jedoch eine gerichtliche Genehmigung.

Sammeln von Dokumenten:

7.2 Unter welchen Umständen kann die Regierung verlangen, dass ein Unternehmen, gegen das ermittelt wird, der Regierung Dokumente vorlegt, und unter welchen Umständen kann die Regierung ein Unternehmen, gegen das ermittelt wird, durchsuchen und Dokumente beschlagnahmen?

Die Durchsuchung von Orten und Gegenständen (sowie Personen) ist zulässig, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass sich dort eine einer Straftat verdächtige Person versteckt hält oder Beweismittel vorhanden sind, die möglicherweise gesichert oder ausgewertet werden müssen.

7.3 Gibt es irgendwelche Schutzmaßnahmen gegen die Vorlage oder Beschlagnahme, die das Unternehmen für bestimmte Arten von Dokumenten geltend machen kann? Kennt Ihre Rechtsordnung beispielsweise irgendwelche Privilegien zum Schutz von Dokumenten, die von internen Anwälten oder externen Rechtsberatern erstellt wurden, oder der Kommunikation des Unternehmens mit internen Anwälten oder externen Rechtsberatern?

Die österreichische Strafprozessordnung (Strafprozessordnung, StPO) sieht vor, dass Dokumente und Informationen, die sich im Besitz des Beschuldigten befinden und von ihm oder seinem Anwalt zum Zweck seiner Verteidigung erstellt wurden, nicht beschlagnahmt werden dürfen.

7.4 Gibt es in Ihrem Land arbeits- oder datenschutzrechtliche Vorschriften (z. B. die Allgemeine Datenschutzverordnung in der Europäischen Union), die sich auf die Erhebung, Verarbeitung oder Übermittlung personenbezogener Daten von Mitarbeitern auswirken können, auch wenn diese in Unternehmensdateien gespeichert sind? Gibt es in Ihrem Land Sperrgesetze oder andere innerstaatliche Gesetze, die eine grenzüberschreitende Offenlegung behindern könnten?

Österreich unterliegt den Regeln der General Data Protection Regulation.

7.5 Unter welchen Umständen kann die Regierung verlangen, dass ein Mitarbeiter eines Unternehmens der Regierung Dokumente vorlegt, oder eine Razzia in der Wohnung oder im Büro eines Mitarbeiters durchführen und Dokumente beschlagnahmen?

Die Bedingungen, unter denen die Regierung Dokumente von einem Mitarbeiter verlangen kann, sind die gleichen, wie wenn Dokumente von der Firma verlangt werden.

7.6 Unter welchen Umständen kann die Regierung von einer dritten Person oder Organisation verlangen, dass sie der Regierung Dokumente vorlegt, oder die Wohnung oder das Büro einer dritten Person oder Organisation durchsuchen und Dokumente beschlagnahmen?

Wenn die gesetzlichen Voraussetzungen, z. B. für eine Hausdurchsuchung, gegeben sind, ist eine solche Durchsuchung auch in diesem Fall zulässig.

Befragung von Einzelpersonen:

7.7 Unter welchen Umständen kann die Regierung verlangen, dass ein Angestellter, leitender Angestellter oder Direktor eines Unternehmens, gegen das ermittelt wird, sich einer Befragung unterzieht? In welchem Forum kann die Befragung stattfinden?

Es ist zu unterscheiden, ob die Person als Beschuldigter oder als Zeuge befragt werden soll.

Beschuldigter ist, wer aufgrund bestimmter Tatsachen konkret verdächtigt wird, eine Straftat begangen zu haben, und zur Klärung dieses Verdachts werden Beweise erhoben oder Ermittlungsmaßnahmen angeordnet oder durchgeführt.

Ein Beschuldigter darf nicht gezwungen werden, sich selbst zu belasten. Es steht ihm frei, auszusagen oder die Aussage zu verweigern, und er hat das Recht, in jedem Stadium des Verfahrens einen Verteidiger hinzuzuziehen.

Zeugen sind andere Personen als der Beschuldigte, die Tatsachen, die für die Aufklärung der Straftat wesentlich sind oder sich sonst auf den Gegenstand des Verfahrens beziehen, unmittelbar oder mittelbar wahrgenommen haben können und darüber im Verfahren aussagen sollen. Zeugen sind verpflichtet, richtig und vollständig auszusagen. In bestimmten Fällen haben Zeugen das Recht, die Aussage zu verweigern oder nicht als Zeugen vernommen zu werden. Zeugen haben das Recht, bei der Vernehmung eine Person ihres Vertrauens dabei zu haben.

7.8 Unter welchen Umständen kann die Regierung verlangen, dass sich eine dritte Person einer Befragung unterzieht? In welchem Forum kann die Befragung stattfinden?

Weitgehend unter den gleichen Bedingungen und Voraussetzungen wie eben beschrieben.

7.9 Welchen Schutz kann eine Person geltend machen, wenn sie von der Regierung verhört wird? Besteht das Recht, sich während der Vernehmung durch einen Anwalt vertreten zu lassen? Gibt es ein Recht oder ein Privileg gegen Selbstbezichtigung, das geltend gemacht werden kann? Wenn ein Recht auf das Recht auf Selbstbezichtigung besteht, kann die Geltendmachung dieses Rechts zu einem Schuldspruch im Prozess führen?

Siehe die Antwort auf Frage 7.7 oben.

Im österreichischen Strafverfahren gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung. Grundsätzlich ist es zulässig, das Schweigen des Beschuldigten zu verwerten. In Übereinstimmung mit Art. 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention hängt es sehr stark vom Einzelfall ab, ob und wie das Schweigen des Beschuldigten gewertet wird. Voraussetzung wird wohl sein, dass die Beweise gegen den Beschuldigten einen so schwerwiegenden Verdacht begründen, dass nach gesundem Menschenverstand aus dem Schweigen des Beschuldigten nur der Schluss gezogen werden kann, dass der Beschuldigte auf die gegen ihn erhobenen Beweise keine Antwort hat (im Anschluss an eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte).

8 Einleitung der Strafverfolgung / Stundung der Strafverfolgung / Zivilrechtliche Verfügungen

8.1 Wie werden Strafverfahren eingeleitet?

Die Kriminalpolizei und die Staatsanwaltschaft sind verpflichtet, jedem ihnen bekannt werdenden Anfangsverdacht einer Straftat, die nicht nur auf Antrag eines Berechtigten verfolgt werden soll, von Amts wegen nachzugehen. In der Praxis werden Straftaten häufig aktiv bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft angezeigt, woraufhin die Behörden ihre Ermittlungen aufnehmen.

8.2 Welche Regeln oder Richtlinien bestimmen die Entscheidung der Regierung, ein Unternehmen oder eine Person wegen einer Straftat anzuklagen?

In Österreich regelt das Unternehmensstrafrechtsgesetz die Haftung eines Vereins für Straftaten, die von seinen Entscheidungsträgern und Mitarbeitern begangen werden.

Siehe im Detail die Antwort auf Frage 4.1 oben.

8.3 Können ein Beschuldigter und die Regierung vereinbaren, ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren im Wege der Diversion vor dem Verfahren oder einer Vereinbarung über den Aufschub der Strafverfolgung zu beenden? Wenn ja, beschreiben Sie bitte etwaige Vorschriften oder Leitlinien, die regeln, ob Vereinbarungen über die Diversion vor dem Verfahren oder den Aufschub der Strafverfolgung zur Beendigung von strafrechtlichen Ermittlungen möglich sind.

Wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, ist eine "Umleitung" möglich.

Voraussetzung ist, dass der Sachverhalt hinreichend geklärt ist, die Tat nicht mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist, die Schuld des Beschuldigten nicht als schwerwiegend angesehen wird und die Tat nicht zum Tod eines Menschen geführt hat, es sei denn, ein Angehöriger des Beschuldigten wurde fahrlässig getötet und eine Bestrafung erscheint angesichts der schweren psychischen Belastung des Beschuldigten nicht erforderlich. Außerdem darf die Bestrafung des Angeklagten nicht erforderlich sein, um ihn von der Begehung von Straftaten abzuschrecken oder um der Begehung von Straftaten durch andere entgegenzuwirken. Anstelle einer Strafe verhängt die Staatsanwaltschaft (oder später das Gericht) eine diversionelle Maßnahme, der der Beschuldigte zustimmen muss. Als strafmildernde Maßnahmen kommen in Betracht: die Zahlung eines Geldbetrags, die Ableistung gemeinnütziger Arbeit, die Verhängung einer Bewährungsfrist, verbunden mit einer Bewährungsfrist und der Erfüllung von Auflagen, und die Auflösung der Straftat.

Die Diversion für den Straftatbestand des Amtsmissbrauchs ist gesetzlich eingeschränkt, die Diversion für Sexualstraftaten, die mit mehr als drei Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind, ist gesetzlich ausgeschlossen.

8.4 Wenn Vereinbarungen über einen Aufschub der Strafverfolgung oder ein Absehen von der Strafverfolgung zur Verfügung stehen, um strafrechtliche Ermittlungen in Ihrer Gerichtsbarkeit zu beenden, müssen alle Aspekte dieser Vereinbarungen gerichtlich genehmigt werden? Wenn ja, beschreiben Sie bitte die Faktoren, die die Gerichte bei der Prüfung von Vereinbarungen über einen Aufschub der Strafverfolgung oder einen Verzicht auf die Strafverfolgung berücksichtigen.

Die einzig mögliche Option ist die "Diversion", wie in Frage 8.3 oben beschrieben. Im Vorverfahren liegt die Entscheidungsbefugnis bei der Staatsanwaltschaft, im Hauptverfahren beim Gericht.

8.5 Können gegen einen Beschuldigten zusätzlich zu oder anstelle eines strafrechtlichen Verfahrens zivilrechtliche Sanktionen oder Rechtsmittel verhängt werden? Wenn ja, beschreiben Sie bitte die Umstände, unter denen zivilrechtliche Strafen oder Rechtsmittel zur Anwendung kommen können.

Neben dem Strafverfahren kann auch ein Zivilverfahren eingeleitet werden. Das Opfer einer Straftat kann sich dem Strafverfahren mit seinen Ansprüchen gegen den Beschuldigten anschließen und/oder diese auch zivilrechtlich verfolgen.

8.6 Kann eine Einzelperson oder ein Unternehmen eine Privatklage einreichen? Wenn ja, können sie Straftaten im Bereich der Wirtschaftskriminalität privat verfolgen?

Siehe die Antworten auf die Fragen 1.1 und 8.1 oben.

Es gibt einige Straftaten, bei denen das Opfer selbst Anzeige erstatten muss (Privatanklagedelikte, z. B. Beleidigung) und Straftaten, bei denen das Opfer die Strafverfolgung genehmigen muss (Ermächtigungsdelikte(z. B. Betrug). Die klassischen Wirtschaftsdelikte (z. B. Betrug, Unterschlagung) fallen jedoch nicht unter diese Kategorien, sondern sind vielmehr Straftaten, die von Amts wegen zu verfolgen sind (Offizielle Delikte).

9 Beweislast

9.1 Welche Partei hat die Beweislast für jedes Element der oben in Abschnitt 3 genannten Wirtschaftsdelikte? Welche Partei hat die Beweislast in Bezug auf alle bestätigenden Verteidigungsmittel?

Die Staatsanwaltschaft hat die Beweislast.

9.2 Welchen Beweisstandard muss die beweispflichtige Partei erfüllen?

Der allgemein geforderte Beweisstandard ist der Beweis über jeden vernünftigen Zweifel hinaus.

9.3 Wer ist in einem Strafprozess der Schiedsrichter der Tatsachen? Wer bestimmt, ob die Partei ihrer Beweislast nachgekommen ist?

Das Gericht entscheidet nach seiner freien Überzeugung aufgrund der vorgelegten Beweise.

10 Konspiration / Beihilfe

10.1 Kann eine Person, die sich mit einem anderen zur Begehung einer Wirtschaftsstraftat verschwört oder ihm dabei hilft, haftbar gemacht werden? Wenn ja, was ist die Art der Haftung und was sind die Elemente der Straftat?

Nicht nur der unmittelbare Täter begeht die strafbare Handlung, sondern auch derjenige, der einen anderen zu deren Ausführung bestimmt oder sonst zu deren Ausführung beiträgt. Bestimmender Täter ist derjenige, der einen anderen zur Begehung einer Straftat veranlasst. Mittäter ist, wer sonst - d.h. in anderer Weise als durch Bestimmung eines anderen - zur Ausführung einer Straftat beiträgt.

Waren mehrere Personen an der Tat beteiligt, so ist jede von ihnen entsprechend ihrem Verschulden zu bestrafen.

11 Gemeinsame Verteidigungen

11.1 Ist es eine Verteidigung gegen eine strafrechtliche Anklage, dass der Angeklagte nicht den erforderlichen Vorsatz zur Begehung der Straftat hatte? Wenn ja, wer hat die Beweislast in Bezug auf den Vorsatz?

Vorsätzlich handelt, wer eine Handlung begehen will, die einem gesetzlichen Straftatbestand entspricht; dafür reicht es aus, dass der Täter diese Verwirklichung ernsthaft für möglich hält und sie in Kauf nimmt (dolus eventualis). Diese Form des Vorsatzes ist in den meisten Fällen ausreichend.

Bei einigen Straftaten muss der Täter vorsätzlich handeln (dolus directus) oder wissentlich.

Der Täter handelt vorsätzlich (dolus directus), wenn es sich um die Verwirklichung des Umstandes oder des Ergebnisses handelt, für die das Gesetz ein vorsätzliches Handeln voraussetzt.

Der Täter handelt wissentlich, wenn er den Umstand oder das Ergebnis, dessen Kenntnis das Gesetz voraussetzt, nicht nur für möglich, sondern auch für sicher hält.
Einige Straftaten setzen Fahrlässigkeit für die Strafbarkeit voraus.

Fahrlässig handelt, wer die ihm nach den Umständen obliegende, ihm nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen mögliche und zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt und deshalb nicht erkennt, dass er einen Zustand herbeiführen kann, der einem Straftatbestand entspricht. Fahrlässig handelt auch, wer es für möglich hält, dass er einen solchen Zustand herbeiführt, dies aber nicht beabsichtigt.

Grob fahrlässig handelt, wer ungewöhnlich und auffallend sorglos handelt, so dass der Eintritt eines dem gesetzlichen Tatbestand entsprechenden Zustandes als nahezu wahrscheinlich voraussehbar war.
Ob das Erfordernis des Vorsatzes oder der Fahrlässigkeit erfüllt ist, entscheidet das Gericht nach seiner freien Überzeugung auf Grund der Beweislage.

11.2 Ist es eine Verteidigung gegen eine strafrechtliche Anklage, dass der Angeklagte das Gesetz nicht kannte, d. h., dass er nicht wusste, dass sein Verhalten rechtswidrig war? Wenn ja, was sind die Elemente dieser Verteidigung, und wer hat die Beweislast in Bezug auf die Kenntnis des Angeklagten vom Gesetz?

Erkennt der vermeintliche Täter aufgrund eines Rechtsirrtums die Rechtswidrigkeit der Tat nicht, handelt er nicht schuldhaft, wenn ihm der Irrtum nicht vorwerfbar ist.

Der Rechtsirrtum ist vorwerfbar, wenn das Unrecht für den Täter wie für jedermann leicht erkennbar war oder wenn der Täter sich nicht mit den einschlägigen Vorschriften vertraut gemacht hat, obwohl er nach seinem Beruf, seiner Tätigkeit oder den sonstigen Umständen dazu verpflichtet gewesen wäre.

Ist der Fehler vorwerfbar und hat der Täter vorsätzlich gehandelt, so ist die für die vorsätzliche Tat vorgesehene Strafe zu verhängen, hat er fahrlässig gehandelt, so ist die für die fahrlässige Tat vorgesehene Strafe zu verhängen.

11.3 Kann man sich gegen eine strafrechtliche Anklage damit verteidigen, dass der Angeklagte den Sachverhalt nicht kannte, d.h. dass er nicht wusste, dass er ein rechtswidriges Verhalten an den Tag gelegt hatte? Wenn ja, was sind die Elemente dieser Verteidigung, und wer trägt die Beweislast für die Kenntnis des Angeklagten?

Wenn der Täter nicht erkennt, dass er durch sein Handeln eine Straftat begeht, kann er ohne Vorsatz handeln. Er kann daher nicht nach einem Vorsatzdelikt bestraft werden. Liegt jedoch ein entsprechendes Fahrlässigkeitsdelikt vor und hat der Täter fahrlässig gehandelt, so bleibt eine mögliche Haftung für fahrlässiges Handeln.

Auch hier liegt die Beweislast beim Gericht. Das Gericht muss allen Argumenten nachgehen, in diesem Fall vor allem, ob der Täter alle Fakten kannte.

12 Freiwillige Offenlegungsverpflichtungen

12.1 Wenn eine Person oder Organisation erfährt, dass eine Straftat begangen wurde, muss die Person oder Organisation die Straftat der Regierung melden? Kann die natürliche oder juristische Person dafür haftbar gemacht werden, dass sie die Straftat nicht bei der Regierung anzeigt? Kann die natürliche oder juristische Person für die freiwillige Offenlegung Nachsicht oder "Anerkennung" erhalten?

Es gibt keine allgemeine Verpflichtung für Einzelpersonen oder Unternehmen, eine Straftat anzuzeigen. Die freiwillige Anzeige einer Straftat, die Zusammenarbeit mit den Behörden, die Wiedergutmachung von Schäden usw. sind jedoch allesamt mildernde Faktoren und können die drohende Strafe abmildern.

Die Kronzeugenregelung ist im österreichischen Strafrecht noch sehr neu. Sie wurde zum Zweck der Evaluierung zeitlich befristet eingeführt - nach derzeitigem Stand läuft sie mit Ablauf des 31. Dezember 2021 aus. Es ist noch nicht möglich
abschätzen, wie die Zukunft aussehen wird.

13 Kooperationsbestimmungen / Kronzeugenregelung

13.1 Wenn eine natürliche oder juristische Person der Regierung freiwillig kriminelles Verhalten offenlegt oder bei einer strafrechtlichen Untersuchung der Regierung gegen die natürliche oder juristische Person kooperiert, kann die natürliche oder juristische Person von der Regierung Kronzeugenbehandlung oder "Kredit" verlangen? Wenn ja, welche Regeln oder Richtlinien regeln die Möglichkeit der Regierung, Kronzeugenregelung oder "Kredit" im Austausch für freiwillige Offenlegungen oder Kooperation anzubieten?

Wie unter Frage 12.1 erwähnt, ist die Kronzeugenregelung in Österreich noch neu und wird derzeit evaluiert.

Im Allgemeinen ist die Kronzeugenregelung eine besondere Form der "Diversion". Der Straftäter muss sich freiwillig an die Staatsanwaltschaft wenden und mit ihr kooperieren und ein reumütiges Geständnis ablegen. Wenn alle rechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung der Kronzeugenregelung erfüllt sind, muss die Staatsanwaltschaft wie im Fall der "Diversion" vorgehen. Der Kronzeuge erklärt sich mit einer Maßnahme einverstanden (Zahlung einer Geldprämie, Ableistung einer gemeinnützigen Arbeit, Bewährungszeit usw.) und das Verfahren gegen ihn wird vorbehaltlich einer späteren Strafverfolgung eingestellt. Stellt sich im weiteren Verfahren heraus, dass der Kronzeuge gegen Pflichten verstoßen hat, kann das Verfahren gegen ihn wieder aufgenommen werden. Ist das Verfahren gegen den beschuldigten Dritten rechtskräftig abgeschlossen, stellt die Staatsanwaltschaft das gegen den Hauptbelastungszeugen geführte Ermittlungsverfahren endgültig ein. Voraussetzung ist, dass der Hauptzeuge seine Pflichten erfüllt hat (Zahlung einer Geldentschädigung, Ableistung von gemeinnütziger Arbeit, Bewährungszeit usw.).

13.2 Beschreiben Sie das Ausmaß der Zusammenarbeit, einschließlich der Schritte, die ein Unternehmen unternehmen würde, das im Allgemeinen von Unternehmen verlangt wird, die in Ihrer Rechtsordnung eine Kronzeugenregelung beantragen, und beschreiben Sie die günstige Behandlung, die im Allgemeinen gewährt wird.

Siehe die Antwort auf Frage 13.1 oben.

14 Plea Bargaining

14.1 Kann ein Angeklagter freiwillig darauf verzichten, die strafrechtliche Anklage anzufechten, wenn er im Gegenzug zu einer Verurteilung mit verringerten Anschuldigungen oder zu einer vereinbarten Strafe verurteilt wird?

Plea bargaining ist in Österreich verboten.

14.2 Bitte beschreiben Sie alle Regeln oder Richtlinien, die die Möglichkeit der Regierung regeln, mit einem Angeklagten einen Vergleich zu schließen. Müssen bestimmte Aspekte des "plea bargain" vom Gericht genehmigt werden?

Plea bargaining ist in Österreich verboten.

15 Elemente eines Unternehmenssatzes

15.1 Gibt es, nachdem das Gericht festgestellt hat, dass ein Angeklagter einer Straftat schuldig ist, irgendwelche Regeln oder Richtlinien für die Verhängung einer Strafe gegen den Angeklagten durch das Gericht? Bitte beschreiben Sie den Prozess der Strafzumessung.

Sobald das Gericht von der Schuld des Angeklagten überzeugt ist, muss es die Strafe festlegen, die es für angemessen hält. Das österreichische Strafrecht sieht Mindest- und Höchststrafen (sowohl für Geld- als auch für Freiheitsstrafen) vor. Das Gericht ist bei der Strafzumessung nicht an genaue Richtlinien gebunden, sondern muss mildernde und erschwerende Umstände berücksichtigen. Strafmildernde Umstände sind z. B. ein reumütiges Geständnis, Schadensersatz, oder wenn die Tat nur versucht wurde, etc. Erschwerende Umstände sind z. B., wenn der Angeklagte bereits vorbestraft ist oder die Höhe des verursachten Schadens. Das Gericht kann auch bestimmte Strafen zur Bewährung aussetzen.

15.2 Muss das Gericht vor der Verhängung einer Strafe gegen eine Kapitalgesellschaft feststellen, ob die Strafe bestimmte Elemente erfüllt? Wenn ja, beschreiben Sie bitte diese Elemente.

Ist ein Verein für eine Ordnungswidrigkeit verantwortlich, so wird gegen ihn eine Vereinsstrafe verhängt.

Die Geldbuße ist in Einheiten von EUR 50 bis EUR 10.000 nach den Ertragsverhältnissen des Vereins unter Berücksichtigung seiner sonstigen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu bemessen. Das Gericht hat erschwerende und mildernde Gründe abzuwägen.

Die Geldbuße ist insbesondere umso höher, je größer der Schaden oder die Gefährdung ist, die der Verein zu vertreten hat, je größer der Vorteil ist, den der Verein aus der Tat erlangt hat, und je mehr das rechtswidrige Verhalten von Mitarbeitern geduldet oder gefördert wurde.

Die Geldbuße ist insbesondere dann niedriger, wenn der Verein bereits vor der Tat Vorkehrungen zur Verhinderung solcher Taten getroffen oder Mitarbeiter zu gesetzestreuem Verhalten angehalten hat, wenn der Verein nur für Straftaten von Mitarbeitern verantwortlich ist, wenn er nach der Tat einen erheblichen Beitrag zur Wahrheitsfindung geleistet hat, wenn er die Folgen der Tat wiedergutgemacht hat, wenn er wesentliche Schritte unternommen hat, um ähnliche Taten in Zukunft zu verhindern, und wenn die Tat bereits zu schweren Rechtsnachteilen für den Verein oder seine Träger geführt hat.

Eine Aussetzung der Strafe ist in bestimmten Fällen möglich.

16 Appelle

16.1 Kann der Angeklagte oder die Regierung gegen einen Schuldspruch oder einen Nicht-Schuldspruch Berufung einlegen?

Gegen einen Schuldspruch können sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft Berufung einlegen. Gegen einen Freispruch kann nur die Staatsanwaltschaft Berufung einlegen.

Wenn beide Parteien Berufung einlegen, kann das Urteil in beide Richtungen, d.h. sowohl zugunsten als auch zuungunsten des Beklagten, abgeändert werden.

Wenn nur der Angeklagte in Berufung geht und die Staatsanwaltschaft nicht, darf das Berufungsgericht das Strafmaß in der Berufung nicht erhöhen.

16.2 Ist eine strafrechtliche Verurteilung nach einem Schuldspruch anfechtbar? Wenn ja, welche Partei kann Berufung einlegen?

Siehe die Antwort auf Frage 16.1 oben.

16.3 Was ist der Prüfungsmaßstab des Berufungsgerichts?

Eine Berufung gegen eine strafrechtliche Verurteilung kann mehrere Gründe haben, die sich auf das Urteil selbst oder auf Fehler des vorangegangenen Verfahrens beziehen, die zur Nichtigkeit führen müssen. Die Frage der Schuld kann angefochten werden. Es ist auch möglich, die Verurteilung und Entscheidungen über privatrechtliche Ansprüche anzufechten. Bei Urteilen, an denen Geschworene mitgewirkt haben, ist eine Anfechtung der Schuldfrage nicht möglich.

16.4 Wenn das Berufungsgericht der Berufung stattgibt, welche Befugnisse hat es, um etwaiges Unrecht durch das Erstgericht zu beheben?

Die Details hängen davon ab, welche Gerichte in erster und zweiter Instanz zuständig sind. Abhängig von der Zuständigkeit des Gerichts kann Folgendes möglich sein:

Das Berufungsgericht kann die angefochtene Entscheidung bestätigen oder das angefochtene Urteil aufheben und die Strafsache an die erste Instanz zurückverweisen. Dann findet eine neue Verhandlung statt und es ergeht eine neue Entscheidung. Das Berufungsgericht kann auch das angefochtene Urteil abändern und möglicherweise von einem Schuldspruch in erster Instanz zu einem Freispruch kommen (oder andersherum).